Knapp 95 Prozent stimmen für Fusion

Generalversammlung am 15.05.2023

Mit dem Eintrag im Bundesanzeiger enden dann 134 Jahre stolze Geschichte der Raiffeisenbank Steinheim eG. Bankvorstand Eduard Reisenauer: Enorme Zinsanhebungen und die Bürokratie machen sehr zu schaffen.

Nach drei Stunden und einer Minute war die Messe gelesen und das Ende von 134 Jahren Bankgeschichte besiegelt: 747 Mitglieder (zahlreiche hatten ihr Stimmrecht übertragen) stimmten an der Wahlurne über die Fusion der Raiffeisenbank Steinheim mit der Heidenheimer Volksbank rückwirkend zum 1. Januar 2023 ab. Bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Pascal Mack lag mächtig viel Spannung in der Luft. Vorsorglich war schon bei der Einberufung dieser Generalversammlung eine Fortsetzung am Dienstag ab 0.00 Uhr eingeplant worden.

Als Glockenschlag 19 Uhr diese Hauptversammlung mit einem bebilderten Jahresrückblick ihren Anfang nahm, waren rund um die Albuchhalle alle Plätze und Straßen zugeparkt und freie Stühle allenfalls noch im Stuhllager verfügbar. Es gab langen Beifall, als Pascal Mack in seiner Begrüßung besonders die Beschäftigten der Bank willkommen hieß und ihnen trotz der mageren Bilanz 2022 für „die herausragende Arbeit für unsere Bank und unsere Mitglieder in den letzten Jahren“ herzlich dankte. Eines deutete er auch gleich an, für 2022 werde es leider nur eine Dividende von einem halben Prozent geben.

Belastungen allenthalben

Im Beisein der Bürgermeister Holger Weise (Steinheim) und Jörg Weiler (Königsbronn) sowie der früheren Bankchefs Kurt Haisch und Karl Seibold eröffnete dessen Nachfolger Eduard Reisenauer die Berichtsfolge. Er sprach vom Krieg in der Ukraine, vom massiven Anstieg der Zinsen, von vielfältigen Sanktionen, Lieferkettenproblemen, der Materialknappheit und von der Nichtverfügbarkeit von Rohstoffen. Explosionsartige Preissteigerungen hätten in allen Bereichen zu einer nie dagewesenen Zinserhöhung geführt. Diese massive Anhebung habe bei fast allen Banken deutliche Belastungen hinterlassen: „Die Kreditnachfrage ist deshalb 2022 nahezu komplett eingebrochen. Die Kunden haben ihre Pläne für Anschaffungen von Immobilien oder größeren Investitionen komplett gestoppt und warten erst einmal ab.“

Reisenauer legte dann die Zahlen für 2022 offen: Das Kundenanlagevolumen nahm zwar um 3,5 Prozent und 3,6 Millionen Euro auf 208 Millionen zu. Die Steigerungsrate war aber nicht  einmal halb so hoch wie in den Vorjahren. Das Kundenkreditgeschäft stieg um bescheidene 2,7 Millionen Euro (oder 1,7 Prozent) auf 160,5 Millionen. 2021 waren es noch 21,8 Millionen – also achtmal so viel. 2020 lag die Zuwachsquote bei zwölf, 2021 noch bei 16 Prozent. Neben den Privatleuten haben auch die gewerblichen Kunden Investitionen zurückgestellt. Reisenauer sprach von „kaum noch Nachfrage“. Der Bestand an bankeigenen Ausleihungen nahm 2022 um eine Million auf 107,5 Millionen ab. Das Kreditwachstum, so Reisenauer, erfolgte nur bei den Verbundpartnern der Raiba.

Verschlechterte Ertragslage

Die Bilanzsumme legte um vier Prozent oder 6,8 Millionen Euro auf 176,1 Millionen Euro zu. Ein Zuwachs, den nur die gestiegenen Kundeneinlagen bescherten. Die Zahl der Mitglieder stieg um 24 auf 2887.

Dass sich die Ertragssituation dramatisch verschlechterte, machte Reisenauer im Folgenden deutlich: Der Zinsüberschuss wurde auf 2,640 Millionen beziffert. Das waren bescheidene 7000 Euro mehr als 2021. Den Verwaltungsaufwand inclusive der Personalkosten wurden auf 2,734 Millionen Euro beziffert. 53 000 Euro mehr aufgrund von tariflichen Gehaltserhöhungen und Zuführungen für Altersteilzeit. Allein 170 000 Euro kostete die Raiba der Fachkräftemangel. Weil immer mehr Bürokratie sinnvolles Arbeiten lähmt, musste fachlicher Rat von außen eingekauft werden.

Das Betriebsergebnis vor Bewertung fiel mit 957 000 Euro im Vergleich der Vorjahre miserabel aus. Es hat sich in den letzten neun Jahren beinahe halbiert. Wegen der gesamtwirtschaftlichen Lage habe sich die Bonität der Kreditnehmer verschlechtert. Für 438 000 Euro mussten pauschale Wertberichtigungen vorgenommen werden. Um die Zahlen ausgleichen zu können, habe die Raiba für 1,445 Millionen festverzinsliche Wertpapiere aufgelöst. Nur so konnte ein positiver Jahresabschluss dargestellt werden. Auch nahm die Eigenkapitalquote ab. Reisenauer verdeutlichte damit, warum der Weg in Richtung Fusion eingeschlagen werden musste.

7025 Euro als Dividende

Unter dem Strich ergab sich ein überschaubarer Reingewinn von 50 750 Euro, von dem 0,5 Prozent Dividende (7025 Euro) gezahlt werden und 22 000 Euro in die gesetzliche und 21 725 Euro an andere Ergebnisrücklagen überwiesen werden.

Kai-Uwe Dienstdorf, vom Württembergischen Genossenschaftsverband, gab eine Zusammenfassung des Prüfberichts, nannte die Ertragslage verbesserungsbedürftig und bestätigte die Belastungen, die die Niedrigzinsphase und die nachfolgenden Zinserhöhungen bedeuteten: „Deswegen konnte die Bilanzsumme mit den Ereignissen nicht Schritt halten.“ Trotzdem: Es gab den „uneingeschränkten Bestätigungsvermerk“.

Aufsichtsratsvorsitzender Pascal Mack betonte in seinem Bericht die stets gute Zusammenarbeit mit dem Bankvorstand: „Wir waren regelmäßig im Bilde und im Entscheidungsprozess.“

Eine Gegenstimme gab es bei den Beschlüssen per Handzeichen über die Verwendung des Reingewinns und die Ausschüttung von einem halben Prozent Dividende.

Kampf gegen die Bürokratie

Bei der Entlastung der Vorstände machte Bürgermeister Holger Weise keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: „Das sind harte, ja schwierige Zeiten für jeden und für die Banken. Alle leiden unter den Zinsanhebungen. Den kleinen Banken macht man das Leben besonders schwer: Schade!“ Das Gemeindeoberhaupt bekundete seinen „großen Dank für den Kampf gegen die Bürokratie“. Bei der Entlastung des Aufsichtsrates wurden drei Gegenstimmen gezählt.

Im Ausblick auf die Bankenfusion wurde der bisherige Aufsichtsrat nach dem Ausscheiden von Hermann Mayer und Edith Wagner von sechs auf vier Personen verkleinert und keine Nachwahl mehr vorgenommen.

In hochemotionaler Rede, für die sie langen Applaus bekam, machte Bankvorstand Bettina Burger deutlich, warum das Ende für die Raiffeisenbank Steinheim als eine der einhundert kleinsten Genossenschaftsbanken im Verbandsgebiet gekommen ist. Es mangelt an Fachkräften. Das Berufsbild hat sich gewandelt. Zum Glück habe man gelernt, angstfrei an die Arbeit zu gehen: „Die Stärken, die wir haben, setzten wir zielgerichtet ein. Eben um Erfolg zu haben. Wir wussten auch, was wir nicht konnten. Die Grenzen haben wir erreicht, teils überschritten". Burger zeigte auf, dass in den letzten 30 Jahren die Zahl der eigenständigen Raiffeisenbanken von 3037 auf 735 zurückgegangen ist.

Stetig steigt die Regelwut

Und dann wurde Bettina Burger deutlich: „Die Politik erfindet immer neue Regelungen und Vorschriften. Die Regulatorik wie die Bürokratie führen zu brutalen Anforderungen: 100 Rundschreiben der Verbundpartner im Jahr, 266 Arbeitsanweisungen, 100 Prüfungstage bei insgesamt etwa 250 Tagen, an denen die Bankschalter offen haben. Und schließlich müssen die Risiken durch entsprechende Eigenkapitalquoten abgedeckt sein“. Burger machte an zwei Zahlenbeispielen deutlich, warum die Bank keinen Zinsen auf Guthaben zahlen könne. Die Niedrigzinsphase habe das Betriebsergebnis halbiert.

Seit Januar habe die Raiba mit der Volksbank Strukturgespräche geführt.  Burger verneinte die selbstgestellte Frage einer Fusion auf Augenhöhe. „Die Volksbank ist achtmal größer als wir, zehnmal so viele Mitarbeiter sind es dort und eine Kapitalquote von 21 Prozent“. Von Augenhöhe wollte die Rednerin nur sprechen im Blick auf das Personal und auf die Fairness bei den Verhandlungen und dass das Zastermobil künftig an die Stelle des Bankplatzes Söhnstetten rollt.

„134 Jahre Bankgeschichte gibt man nicht so einfach auf. Wir sind traurig und wir sind aber auch stolz auf diesen Dienst am Kunden in all diesen Jahren“, schloss Bettina Burger.

Volksbankchef Oliver Conradi ergriff spontan das Wort: „Mein großer Respekt für diese Rede… Wir strecken die Hand zur Fusion aus, denn sie macht für beide Seiten Sinn. Die Geschäftsstelle Steinheim wird modernisiert und ist dann die größte im Gesamtgebiet der Heidenheimer Volksbank.“

Deutliches Abstimmungsergebnis

Bankvorstand Reisenauer und Verbandsprüfer Kai-Uwe Dienstdorf stellten in der Folge den Verschmelzungsvertrag vor und dessen Prüfung durch den Genossenschaftsverband. Anschließend kam es zum Schwur, Wahlurnen wurden aufgestellt und 747 gekennzeichnete Wahlkarten eingeworfen. Nach der Auszählung standen 700 Ja-Stimmen und 39 Nein-Stimmen fest. Ein paar wenige Karten waren ungültig. Es gab langen Beifall. Oliver Conradi von der Volksbank zeigte sich beeindruckt, denn er hatte nicht mit einem solch klaren Votum gerechnet und gelobte: „Wir werden sie nicht enttäuschen!“

Bericht und Bilder kdk/ Albuch Bote Steinheim

Abschied aus dem Aufsichtsrat der Raiffeisenbank (von links): Aufsichtsrat Hermann Mayer, Aufsichtsratsvorsitzender Pascal Mack, Bankvorstand Bettina Burger, Aufsichtsrätin Edith Wagner und Bankvorstand Eduard Reisenauer.

Aufsichtsratsvorsitzender Pascal Mack (links) moderierte die Generalversammlung. Bei der Entlastung würdigte Bürgermeister Holger Weise die Arbeit der Bankmitarbeiter in den letzten Jahren.

Bankvorstand Eduard Reisenauer verdeutlichte bei der Hauptversammlung der Raiffeisenbank den Abwärtstrend bei den Ausleihungen.